Der Odenwaldlimes

Der vergessene Limes

Allgemein: Warum der vergessene Limes ? Um diese Frage zu beantworten müsste man sich an diejenigen Verantwortlichen wenden, die zwar den obergermanischen Limes als Weltkulturerbe eintragen liessen, aber den Odenwaldlimes schlichtweg übergangen haben. Ob es Absicht war, oder einfach nur Vergesslichkeit kann ich nicht sagen, es spricht aber einiges dafür, dass die ältere Limeslinie bewusst ausgeklammert wurde. Fakt ist, dass der Odenwaldlimes nicht Bestandteil des Weltkulturerbes Limes ist und somit auch nicht in den Genuss von Fördermitteln kommt. Ganz im Gegenteil: Die meisten Exponate wurden von hier weggebracht um sie in den grossen Museen auszustellen. Aber die ansässigen Gemeinden und Heimatvereine wollen für eine nachträgliche Aufnahme kämpfen. Ob es gelingt sei dahingestellt. Tatsache ist, dass der Odenwaldlimes mindestens genauso viel zu bieten hat wie der obergermanische Limes und zudem einer wunderschönen Landschaft gelegen ist. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings die Tatsache, dass viele Limesanlagen wenig oder gar nicht gepflegt werden. Obwohl Fundamente oftmals restauriert wurden, sind diese aber total zugewachsen. Und auch an der Ausschilderung kann man noch arbeiten. Während die Nichtaufnahme als Weltkulturerbe für den Odenwaldlimes nicht so dramatisch ist, da er durch seine Lage in wenig besiedeltem Gebiet von Zerstörung ohnehin kaum betroffen ist, sieht es für den Neckarlimes schon wesentlich anders aus, da sich die Kastelle zumeist inmitten grösser Ortschaften und Städte befinden. 

Geschichte: Im Jahre 83 n. Chr., nach den Chattenkriegen Kaiser Domitians, wurden die Wetterau und der Taunus dem römischen Reich einverleibt. Man begann sogleich eine Grenzsicherung, welche vorerst nur aus einer Reihe von Kastellen und einer breiten Schneise bestand, die in den Wald gehauen wurde. Am Main wurden, im Anschluss an den nördlichen Teil des obergermanischen Limes, ebenfalls die ersten Kastelle gebaut. 2 Jahre später stiess man bis an den Neckar vor und sicherte die „nasse“ Grenze durch die Kastelle Wimpfen, Böckingen, Walheim, Benningen, Cannstatt und Köngen. Der sogenannte Neckarlimes war entstanden. Der Odenwaldlimes wurde dann um 100 n. Chr. unter Kaiser Trajan errichtet um die Lücke zwischen Neckarlimes und Main zu schliessen. Ursprünglich bestand die Grenze nur aus Holztürmen, welche durch einen Postenweg miteinander verbunden waren. Dies zeigt, dass in diesem Gebiet die Bedrohung durch Feinde nicht gross gewesen sein kann. Erst unter Kaiser Hadrian wird hier eine Palisade errichtet. Die letzte Ausbaustufe fand ca. 145 n. Chr. unter Antoninus Pius statt, bei der die Holztürme durch Steintürme ersetzt wurden. Im Gegensatz zum obergermanischen Limes, hat der Odenwaldlimes die letzte Ausbaustufe, nämlich die Errichtung von Wall und Graben niemals erlebt. Man hat das offenbar damals nicht für nötig gehalten. Deshalb kann man heute den Verlauf der Grenze nur noch anhand der Gebäude erkennen. Stellenweise ist der Verlauf gar nicht bekannt und kann nur vermutet werden, da die Palisaden verrottet sind und die Gebäude im Laufe der Zeit der teilweise intensiven landwirtschaftlichen Nutzung zum Opfer fielen. Ausnahme bildet ein kurzes Stück nördlich von Schlossau, wo die Palisaden durch eine steinerne Mauer, ähnlich wie am rätischen Limes, ersetzt wurden. Um 150 n. Chr., also 5 Jahre nach dem letzten Ausbau, wird er aufgegeben und die Grenze 30 Kilometer nach Osten verschoben. Viele Kastelle wurden aber daraufhin zivil genutzt, wie das Beispiel Neckarburken zeigt. 

Verlauf: Der Odenwaldlimes beginnt bei Wörth am Main und endet nahe Bad Wimpfen, wo der Neckarlimes beginnt. Mit einer Gesamtlänge von etwa 70 Kilometern durchzieht er die Bundesländer Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Neueste Forschungen haben ergeben, dass der Odenwaldlimes doch länger war als bisher vermutet. Bisher ging man davon aus, dass das südliche Ende bei Bad Wimpfen, nahe der Kochermündung liegt. Mittlerweile hat man aber einen Wachturm und ein Kastell, weiter südlich entdeckt. Wie weit der Odenwaldlimes also tatsächlich verlief, müssen weitere Forschungen zeigen.

Erforschung: Die ersten Forschungen am Odenwaldlimes fanden schon im Jahre 1810 im Auftrag des Grafen Franz I. von Erbach (1754 bis 1823) unter der Leitung von Johann Friedrich Knapp statt. Unter anderem wurde auch das Kastell Würzberg untersucht. Die Ergebnisse von damals sind nach dem heutigen Wissensstand teilweise überholt. Auch wurden unwiderrufliche Fehler begangen, indem man, um dem drohenden Steinraub zuvor zu kommen,  zum Beispiel aus den Steinen des Kastells eine Nachbildung eines Kastelltores im Eulbacher Park rekonstruierte. Nicht nur, dass die Steine vom originalen Fundplatz weggebracht wurden, das Kastelltor ist auch heutiger Sicht auch falsch wiedergegeben. Auch für den Bau anderer rekonstruierter Sehenswürdigkeiten im Eulbacher Park wurden Steine aus verschiedenen Kastellen und Wachtürmen verwendet. Eine weitere und umfassendere Untersuchung fand in den Jahren 1896 - 1900 durch die Reichslimeskommission unter Leitung von F. Kofler und K. Schumacher statt, wobei der Odenwaldlimes hervorragend dokumentiert wurde. Die neuesten Ausgrabungen finden seit 2003 in Schlossau statt. Dort gräbt man einen Teil des Lagerdorfes aus, da das Areal durch ein neues Wohngebiet gefährdet ist.

Die Kastelle am Odenwaldlimes

Anm.: Die mit * versehenen Kastelle sind nicht mehr sichtbar.
KASTELL TRUPPE GRÖSSE
Numeruskastell Wörth * unbekannter numerus 0,8 ha
Numeruskastell Seckmauern * unbekannter numerus 0,6 ha
Numeruskastell Lützelbach * unbekannter numerus 0,6 ha
Kleinkastell Windlücke * unbekannt 175 qm
Numeruskastell Hainhaus unbekannter numerus 0,6 ha
Numeruskastell Eulbach * unbekannter numerus 0,6 ha
Numeruskastell Würzberg unbekannter numerus 0,6 ha
Numeruskastell Hesselbach* unbekannter numerus 0,58 ha
Kleinkastell Jägerwiese / Zwing * unbekannt 350 qm
Kleinkastell Seitzenbuche * unbekannt 400 qm
Numeruskastell Schloßau * numerus brittonum triputiensium 0,6 ha
Kohortenkastell Oberscheidental cohors III dalamatarum und danach 
cohors I rauracorum et sequanorum equitata
2,1 ha
Kleinkastell Hönehaus (WP 10/48 ) unbekannt 420 qm
Kleinkastell Trienz ( WP 10/52 ) * unbekannt 0,2 ha
Kohortenkastell Neckarburken cohors III aquitanorum equitata civium romanorum 2,2 ha
Numeruskastell Neckarburken numerus brittonum elantiensium 0,6 ha
Uferkastell Duttenberg * unbekannt unbekannt
Kleinkastell Kochendorf * unbekannt 0,2 ha

 

Die Wachtürme am Odenwaldlimes

Von der Reichslimeskommission wurden entlang des Odenwaldlimes 80 Wachtürme gezählt, von denen heute nur noch ein Bruchteil zu sehen ist. Einige dieser Türme wurden gar nicht gefunden, sondern konnten nur vermutet werden. Nur die wenigsten wurden restauriert und die meisten sind nur noch als mehr oder weniger hohe Erdhügel im dichten Wald zu erahnen. Auf der Strecke südlich von Neckarburken sind sie, bis auf WP 10/70, gar nicht mehr im Gelände auszumachen. Viele dieser Turmstellen liegen im dichten Wald und sind ohne geeignete Karte fast nicht auffindbar.
Die Wachtürme am Odenwaldlimes unterscheiden sich im wesentlichen von den späteren Türmen am obergermanisch - rätischen Limes dadurch, dass die keine Aussengalerie besassen. Im Obergeschoss befanden sich grosse Fenster, die durch eine kleine Säule zweigeteilt waren. Reste dieser Säulen findet man heute im englischen Garten in Eulbach.

Sichtbare Turmstellen am Odenwaldlimes

Wachturm 10-08 bei Lützelbach
Wachturm 10-09 bei Lützelbach
Wachturm 10-10 bei Lützelbach
Wachturm 10-11 bei Vielbrunn
Wachturm 10-13 bei Vielbrunn
Wachturm 10-14 bei Vielbrunn
Wachturm 10-15 bei Vielbrunn
Wachturm 10-17 bei Vielbrunn
Wachturm 10-18 bei Vielbrunn
Wachturm 10-22 bei Würzberg
Wachturm 10-25 bei Würzberg
Wachturm 10-26 bei Würzberg
Wachturm 10-27 bei Würzberg
Wachturm 10-28 bei Würzberg
Wachturm 10-30 bei Hesselbach
Wachturm 10-33 bei Schlossau
Wachturm 10-34 bei Schlossau
Wachturm 10-35 bei Schlossau
Wachturm 10-36 bei Schlossau
Wachturm 10-37/1 bei Schlossau
Wachturm 10-37/2 bei Schlossau
Wachturm 10-44 bei Oberscheidental
Wachturm 10-59 bei Sattelbach
Wachturm 10-60 bei Neckarburken
Wachturm 10-62a bei Neckarburken
Wachturm 10-70 bei Tiefenbach
 

Wenn man die Turmstellen heute besucht bietet sich einem meistens ein einheitliches Bild. Man erkennt den Holzturmhügel an einem umlaufenden Ringgraben welcher in damaliger Zeit der Entwässerung diente. Meist nur wenige Meter daneben findet sich ein weiterer Hügel ohne Ringgraben, welcher die Überreste des später erbauten Steinturmes beherbergt. An manchen Stellen finden sich sogar zwei Holzturmstellen, meistens aber dort, wo der zuerst erbaute Holzturm einem Feuer oder sonstiger Zerstörung zum Opfer fiel.

Die Truppen am Odenwaldlimes

Betrachtet man die oben aufgeführte Tabelle der Kastelle, ist man geneigt den Odenwaldlimes in zwei Teile aufzuteilen. Den nördlichen Teil, welcher ausschliesslich aus fast identischen Kastellen bestand, und den südlichen, welcher zwei Kohortenkastelle, aber dafür mehrere Kleinkastelle mit max. 10 Mann Besatzung hatte. In nördlichen Teil waren sogenannte Numerus Einheiten mit je ca. 150 Mann Stärke stationiert. Diese Einheiten wurden vermutlich gegen Ende des 1. Jahrhunderts. n. Chr. aus Brittanien (zwangs?)übergesiedelt. Vermutlich unterstanden die Truppen im nördlichen Teil dem Präfekten im Kohortenkastell Oberscheidental, während die Truppen im südlichenTeil unter Aufsicht des Präfekten aus Neckarburken standen. Den Oberbefehl über die einzelnen Numeri hatten Legionscenturionen, welche von den Legionen XXII aus Mainz und der Legion VIII aus Strassburg abkommandiert wurden, wie Inschriften belegen. Die Numeri hatten also eigene Kastelle, hatten diese Lager aber auch ein eigenes Lagerdorf und Badegebäude, wie die "grossen" ? Eine Frage die eindeutig mit Ja beantwortet werden muss, wie man am Beispiel Würzberg heute noch erkennen kann. Das Badegebäude, welches heute sehr schön rekonstruiert ist, liess es an keiner Annehmlichkeit fehlen, und in neuester Zeit ist sogar ein Lagerdorf nachgewiesen worden, welches sich unweit des Kastells im Südosten befand. Es ist also davon auszugehen, dass auch die anderen Numeruskastelle diese Lagerdörfer besassen. Vermutlich waren dort unter anderem die Familien der Soldaten untergebracht, welche mit den Soldaten hierher übersiedelten.
Die Besatzungen der einzelnen Wachtürme und der Kleinkastelle wurden vermutlich auch aus diesen Numeri gebildet. Die Soldaten waren, wie anderorts schon beschrieben Auxiliar, also Fremdsoldaten ohne römisches Bürgerrecht. Dieses bekamen sie nach Ablauf von 25 Dienstjahren zusammen mit einem Militärdiplom zugesprochen. Siehe hierzu auch --> Soldaten am Limes.