Kapitel 2: Die Abschreckung der Germanen
1. Im Winter ( zur Zeit des Consulats von Crassus und Pompeius also ca 55 v. Chr. ) überschritt eine grosse Zahl Angehöriger der germanischen Stämme der Usipeter und Tencterer den Rhein, nahe der Mündung in die Nordsee. Der Grund dafür waren die Sueben, die seit längerer Zeit Unruhe stifteten und Krieg anfingen, sodass Sie ihnen unmöglich geworden war, ihre Felder zu bestellen. Der Stamm der Sueben ist mit Abstand der größte und kriegerischste unter allen germanischen Stämmen. Er soll aus 100 Gauen bestehen von denen jedes Gau pro Jahr ein Heer von 1000 Mann stellt, um außerhalb ihres Gebietes Krieg zu führen.
Diejenigen, die in ihrer Heimat bleiben sorgen für die Ernährung der Gemeinschaft.
Diese stehen dann im nächsten Jahr unter Waffen, während die anderen dann zuhause bleiben.
Somit sind die in dauernd in Übung, sei es in der Landwirtschaft oder in der Kriegsführung.
Es gibt bei Ihnen kein Land in Privatbesitz. Es ist ihnen auch nicht erlaubt, länger als ein Jahr
in einem einzigen Gebiet zu bleiben und die Felder zu bestellen. Sie ernähren sich sowieso hauptsächlich von Milch und Fleisch, das sie bei der Jagd erbeuten und weniger von Getreide.
Diese Art der Ernährung, die täglichen Übungen, Ihre Disziplin und die Lebensweise stärkt Ihre Kräfte und lässt sie zu ungeheurer Grösse heranwachsen.
Obwohl es in Ihrer Gegend überaus kalt ist, baden sie in den Flüssen und tragen nichts anderes als Felle als Kleidung. Durch die Felle, die sehr kurz sind, bleibt ein grosser Teil Ihres Körpers nackt.
2. Ihre Beziehungen zu Händlern dient hauptsächlich dem Zweck, ihre Kriegsbeute zu verkaufen,
weniger dem Zweck, etwas zu tauschen. Sie benutzen auch keine importierten Pferde, an denen die Gallier so viel Freude haben
und sich viel Geld kosten lassen. Sie erziehen dagegen ihre kleinen und hässlichen Pferde durch tägliche Übungen zu grosser Zähigkeit.
Oftmals springen sie in Reitergefechten vom Pferd und kämpfen zu Fuss weiter. Ihre Pferde sind so erzogen, dass sie an diesem
Platz stehen bleiben, sodass sich die Germanen schnell zu Ihnen zurückziehen können, wenn es notwendig ist.
Es gibt nach Ihrer Auffassung nichts schändlicheres und verweichlichteres als einen Sattel zu benutzen. Sie wagen es deshalb
sogar, mit einer Minderheit, eine grosse Anzahl von Reitern mit gesattelten Pferden anzugreifen. Die Einfuhr von Wein ist
strengstens untersagt, da sie glauben, dass er die Menschen zu träge und zu weich macht um Anstrengungen aushalten zu können.
3. Sie sind der Meinung, es bringt Ihnen in der Öffentlichkeit grossen Ruhm ein, wenn sie weite
Strecken des Landes an Ihren Grenzen unbewacht lassen. Es sei ein Zeichen dafür, dass die meisten anderen Stämme Ihnen nicht
gewachsen seien. ( nicht wagen würden anzugreifen )
Es heisst, dass auf einer Seite des Gebietes der Sueben das Land ca. 600 Meilen weit brach liegt. Auf der anderen Seite grenzt
es an das Gebiet der Ubier, die ein grosses und blühendes Volk unter den Germanen sind. Die Ubier sind etwas zivilisierter,
da Ihr Reich an den Rhein grenzt und sie dadurch viel Kontakt mit Händlern haben. Durch Ihre Nähe zu Gallien haben sie selber
die Sitten und Gebräuche der gallischen Nachbarn angenommen. Da Ihr Stamm so gross und bedeutend war, konnten die Sueben, obwohl
sie es schon oft probiertr hatten, sie nicht aus Ihrem Gebiet vertreiben. Allerdings schwächten Sie sie und machten sie steuerpflichtig.
4. In derselben Lage, befanden sich auch die Usipeter und Tencterer, von denen Anfangs schon die Rede
war. Mehrere Jahre hatten diese den Sueben schon Widerstand geleistet, aber letztendlich waren sie doch aus Ihrem Land vertrieben
worden und drei Jahre lang ziellos durch Germanien geirrt, ehe Sie den Rhein erreichten. Dort lebten die Menapier, die sich auf
beiden Seiten des Flusses mit Feldern, Dörfern und Gehöften angesiedelt hatten. Durch die Ankunft einer so grossen Zahl der
Menschen, waren diese jedoch erschreckt, sodass sie Ihre Besitztümer auf diese Seite des Flusses im Stich liessen und Wachposten
aufstellten, die die Germanen am übersetzten hindern sollten. Obwohl sie alles versuchten, gelang es den Usipetern und Tencterern
mangels Schiffen nicht den Fluss zu überqueren. Durch die aufgestellten Wachposten der Menapier gelang es Ihnen auch nicht den
Fluss heimlich zu überqueren. Deshalb täuschten sie einen Rückzug in Ihre Heimatgebiete vor, nur um nach 3 Tagen umzukehren.
Ihre Reiterei schaffte diese Stecke in nur einer Nacht, sodass sie die ahnungslosen Menapier überwältigen konnten. Diese waren
nämlich wieder auf die germanische Seite des Rheins zurückgekehrt, da Ihnen Ihre Späher vom Rückzug der Germanen berichtet hatten.
Die Menapier wurden getötet und Ihre Schiffe wurden in Besitz genommen. So kamen die Germanen über den Rhein, noch bevor die
Menapier, die auf der anderen Seite lebten, etwas bemerkten. Die Usipeter und Tencterer beschlagnahmten alle Höfe der Menapier
und lebten den Winter über von deren Vorräten.
5. Als Cäsar davon erfuhr, war er besorgt, da er die Unzuverlässigkeit der Gallier kannte.
Sie sind in ihren Beschlüssen und Absichten undurchschaubar und immer darauf aus, einen politischen Umsturz herbei zu führen.
Er war daher seine Ansicht, sie nicht alleine handeln lassen zu dürfen. Die Gallier haben ausserdem die Angewohnheit,
Durchreisende festzuhalten und auszufragen, was sie über diverse Ereignisse wissen. Wenn Händler in die Städte kommen,
versammelt sich das Volk um sie und zwingt sie laut zu berichten, was sie aus anderen Gegenden gehört hatten. Durch diese
Auskünfte, die meist auf Gerüchten beruhen, lassen sie sich leicht beeinflussen. Sie fassen dann Pläne, oft in höchst wichtigen
politischen Angelegenheiten, die sie sofort wieder fallen lassen müssen, da die Gerüchte, die sie gehört haben, sie nicht der Wahrheit entsprechen. Die meisten der
Händler geben nämlich fingierte Auskünfte um den Galliern zu erzählen, was sie hören wollen.
6. Da Cäsar diese Angewohnheit kannte, brach er früher als geplant zu seinem Heer auf um zu
verhindern, dass ein grösserer Krieg entsteht. Bei seinem Heer angekommen, sah er seinen Verdacht bestätigt. Einige gallische
Stämme hatten Gesandte zu den Germanen geschickt und sie aufgefordert, vom Rhein aus weiter ins Land vorzudringen. Sie wollen
alle Forderungen der Germanen erfüllen. Diese Massnahme hatte die Germanen dazu ermutigt, Ihre Streifzüge auszudehnen und in
das Gebiet der Eburonen und Condrusen vorzudringen die unter dem Schutz der Treverer standen. Cäsar berief daraufhin die
obersten Führer Galliens zu sich. Er hielt es für sicherer, das was er wusste zu verheimlichen und sie erst mal zu beruhigen
und zu ermutigen. Er befahl Ihnen Reiterverbände zu stellen und gab seinen Entschluss bekannt, gegen die Germanen in den Krieg zu ziehen.
7. Nachdem er sich um die Getreideversorgung gekümmert und eine Elitetruppe von Reitern
zusammengestellt hatte, begann er mit dem Marsch in die Gegend, in der die Germanen vermutet wurden. Als er nur noch wenige
Tagesmärsche von ihnen entfernt war, kamen plötzlich Gesandte, die Ihm folgendes überbrachten. Sie würden zwar nicht als erste
mit einem Krieg gegen das römische Volk beginnen, seien jedoch bereit zu kämpfen wenn man sie müssten. Sie hätten seit jeher den
Brauch, sich zu wehren und nicht um Gnade zu flehen sobald sie angregriffen würden. Weiter meberkten sie, dass sie nicht aus
eigenen Stücken gekommen seine, sondern weil man sie aus der Heimat vertrieben hat. Sie könnten nützliche Verbündete sein, wenn
die römer darauf Wert legen würden. In diesem Fall möchten sie ihnen entweder Land zuweisen oder zulassen, daß sie das behalten
dürften, was sie sich mit Waffen erkämpft hätten. Zum Schluss sagten sie noch, dass die Sueben die einzigen seien, denen sie
nachgeben müssten. Im Ernstfall seien ihnen nicht einmal die unsterblichen Götter gewachsen. Ansonsten gebe es aber niemanden
auf der Welt, den sie nicht bezwingen könnten.
8. Caesar antwortete Ihnen, wie es für Richtig hielt und am Ende seiner Rede fügter er noch hinzu,
dass er keinen Friedensvertrag mit Ihnen schliessen könne, solange sie in Gallien blieben. Es wäre falsch, fremdes Land zu
besetzen, wenn man sein eigenes nicht verteidigen kann. Es gäbe in Gallien sowieso kein freies Land, dass er Ihnen zuweisen
könne, ohne das Recht anderer zu verletzen, vor allem nicht einer so grossen Zahl von Menschen. Sie könnten sich aber im Land
der Ubier niederlassen. Dieses Zugeständnis werde er den Ubiern abringen, da sowieso gerade Gesandte von Ihnen da seien um
Ihn um Unterstützung zu bitten. Sie würden sich über das Unrecht beklagen, dass die Serben Ihnen zufügen würden.
9. Die Gesandten sagten Cäsar zu, in drei Tagen zurückzukehren, nachdem sie ihrem Stamm seine
Antwort überbracht und die Angelegenheite beraten haben. Sie baten Ihn solange zu warten und nicht weiter vorzurücken.
Cäsar antwortete jedoch, dass er ihnen diese bitte nicht erfüllen könne. Er hatte nämlich erfahren, dass ein grosser Teil ihrer
Reiterei wenige Tage zuvor den Weg über die Maas, zu den Ambivariten angetreten sei um Bete zu machen und Getreide zu beschaffen.
Er glaubte nun, dass dieser Aufschub nur gewährt werden sollte bis die Reiter zurückkommen würden.
10.Die Maas entspringt in den Vogesen im Gebiet der Lingonen. Sie fliesst mit einem Nebenarm des
Rheins zusammen, der Waal heißt. Hier liegt die Insel der Bataver ( Bei Nimwegen / Holland ). 80 Meilen vom Meer entfernt,
mündet die Maas schliesslich in den Rhein. Der Rhein entspringt in den Alpen, im Gebiet der Lepontier. Er fliesst mit starker
Strömung eine lange Strecke durch die Gebiete der Nantuaten, Helvetier, Sequaner, Mediomatricer, Tribocer und Treverer. In der
Nähe des Meeres teilt er sich in viele Arme ( Rheindelta ) so dass dort viele Inseln entstanden sind. Die meisten davon sind
von barbarischen Völkern bewohnt, die sich von nichts anderem ernähren als von Fischen und Vogeleiern. Mit vielen Armen mündet
der Rhein schliesslich ins Meer.
11. Als Cäsar nur noch 12 Meilen vom gegnerischen Lager entfernt war, kamen wie besprochen die
Gesandten zurück. Sie trafen Ihn während des Marsches an und baten Ihn nicht weiter zu ziehen. Als dies abgelehnt wurde, baten
sie wiederholt, Cäsar möge den Reitern an der Spitze des Zuges den Befehl geben, nicht zu kämpfen. Ihnen selber sollte die
Gelegenheit gegeben werden, Gesandte an die Ubier zu schicken. Sie sagten, dass sie auf Cäsars Vorschlag eingehen wollen wenn
die Führer und der Senat der Ubier einen Eid schwören würden, sich an die Abmachungen zu halten. Dazu solle Cäsar ihnen 3 Tage
gewähren. Cäsar war immer noch der Meinung, dass die alles darauf abziele, einen Aufschub zu bekommen bis die Reiter zurück wären,
die noch nicht eingetroffen seien. Trotzdem sagte er ihnen zu, nicht weiter als 4 Meilen, bis zu einer Wasserstelle, vorzurücken.
Dort sollen sie sich am nächsten Tag möglichst Zahlreich einfinden, damit er Ihre Forderungen erfahre. Währenddessen gab er den
Befehl an die Präfecten, die mit der Reiterei vorausgegangen waren, nicht anzugreifen. Falls sie selber angegriffen würden,
sollten sie Standhalten, bis das Hauptheer angekommen sei.
12. Die Anzahl unserer Reiter betrug 5000 Mann, währen die der Feinde nur 800 Mann stark war, weil
die übrigen noch nicht von Ihrem Auftrag, jenseits der Maas Getreide zu beschaffen, zurück gekehrt waren. Sobald die Feinde
unsere Reiter sahen, griffen sie trotzdem an und brachten unserere Reihen schnell durcheinander, da sie unvorbereitet waren,
weil die Gesandten ja einen Waffenstillstand ausgehandelt hatten und gerade erst von Cäsar zurückgekehrt waren. Als unsere
Reiterei zum Gegenangriff überging, sprangen die Feinde, wie gewohnt von Ihren Pferden und durchbohrten unsere Pferde von unten
und warfen einige Reiter vom Pferd. Die übrigen unserer Reiter wurden in die Flucht geschlagen und die Feinde trieben sie
solange vor sich her, bis sie in Sichtweite unseres Hauptheeres kamen. Bei diesem Gefecht fielen 74 Reiter, darunter auch
Piso Aquitanus, ein sehr tapferer Mann, von vornehmer Herkunft. Sein Grossvater war der König in seinem Stamm und war vom
Senat mit dem Freundestitel bedacht worden. Als er seinem Bruder zu Hilfe eilen wollte, dem die Feinde den Rückzug abgeschnitten
hatten. konnte er ihm zwar helfen, sein Pferd wurde aber verwundet und warf ihn ab. Trotzdem kämpfter er überaus tapfer weiter,
bis er von Feinden umringt, schwerverletzt zu Boden viel. Als dies sein Bruder sah. der sich mittlerweile zurückgezogen hatte,
stürzte er sich erneut in den Kampf und fand ebenfalls den Tod.
13. Caesar war nach dieser Schlacht der Ansicht, daß er weder weitere Gesandtschaften anhören, noch auf Bedingungen
einzugehen brauche, die Leute stellten, welche in der hinterlistigen Absicht, ihn in eine Falle zu locken, um Frieden gebeten,
jetzt dagegen selbst den Krieg angefangen hatten. Er hielt es für die größte Dummheit, abzuwarten, bis die feindlichen Truppen
Verstärkung erhielten und ihre Reiterei zurückkehrte. Auch war ihm bewusst, da er die Unzuverlässigkeit der Gallier kannte,
wieviel Ansehen die Feinde schon durch dieses eine Gefecht unter ihren eigenen Leuten gewonnen hatten. Er glaubte daher, man
dürfe ihnen keine Zeit mehr lassen, irgendwelche neuen Beschlüsse zu fassen. Nachdem er sich so entschieden und mit den Legaten
und dem Quaestor seinen Plan besprochen hatte, den Kampf nicht für einen einzigen Tag mehr auszusetzen, ereignete sich etwas
sehr Vorteilhaftes. An dem auf die Schlacht folgenden Tag kam morgens eine zahlreiche Gesandtschaft der Germanen zu ihm ins
Lager, die aus allen ihren Führern und Ältesten bestand. Sie bewiesen damit die schon bekannte Perfidie und Verstellung.
Sie wollten sich, so wurde gesagt, dafür rechtfertigen, daß sie es am Vortag im Widerspruch zu den auf ihren Wunsch hin
erfolgten Vereinbarungen zu einer Schlacht hatten kommen lassen. Gleichzeitig wollten sie einen Waffenstillstand erreichen,
wenn es irgend möglich wäre. Caesar war hocherfreut, sie in seine Gewalt zu bekommen, und befahl, sie festzuhalten.
Dann führte er seine gesamten Truppen aus dem Lager heraus und wies die Reiterei an, den Schluß des Zuges zu bilden,
weil er annahm, daß sie durch das jüngste Gefecht noch verstört sei.
14. Er ließ das Heer in dreifacher Schlachtordnung, marschieren und legte einen Weg von acht Meilen so schnell zurück, daß er
zum Lager des Feindes gelangte, bevor die Germanen begreifen konnten, was vor sich ging. Mit einem Schlag gerieten sie in große
Panik, weil wir so schnell anrückten, ihre Führer abwesend waren und sie keine Zeit mehr hatten, zu den Waffen zu greifen,
geschweige denn einen Kriegsrat abzuhalten. Sie waren so verwirrt, daß sie unsicher waren, ob sie lieber mit ihren Truppen
gegen den Feind ausrücken, das Lager verteidigen oder sofort ihr Heil in der Flucht suchen sollten. Während sich ihre Furcht
noch darin zeigte, daß sie schreiend hin- und herliefen, drangen unsere Soldaten, die der Zorn über den Verrat vom Vortag
anstachelte, in das Lager ein. Dort leisteten die, sie sich schnell bewaffnen konnten, unseren Soldaten noch einigen Widerstand
und kämpften zwischen den Wagen und dem schweren Gepäck. Die übrige Menge , die aus Frauen und Kindern bestand, denn die Germanen
waren mit ihrer gesamten Bevölkerung aus der Heimat ausgezogen und über den Rhein gekommen, flüchtete sofort nach allen
Richtungen. Um sie einzuholen, sandte Caesar die Reiterei hinter ihnen her.
15. Als die Germanen das Geschrei hinter sich hörten und sahen, wie die Ihren getötet wurden, warfen sie ihre Waffen weg,
ließen ihre Feldzeichen im Stich und stürzten aus dem Lager. Da ihnen jedoch, als sie zum Zusammenfluss der Maas und des Rheins
gelangten, der weitere Fluchtweg abgeschnitten war, kamen dort viele um, während sich die übrigen in den Fluß stürzten.
Von Furcht, Erschöpfung und der reißenden Strömung überwältigt, fanden auch sie den Tod. Unsere Soldaten blieben alle am Leben
und hatten nur ganz wenige Verwundete. So zogen sie sich nach der Furcht, die ihnen ein so großer Krieg eingeflößt hatte, die
Zahl der Feinde hatte 430 000 betragen, wieder in das Lager zurück. Caesar erlaubte jetzt den Männern, die er im Lager
festgehalten hatte, abzuziehen. Da sie jedoch Strafen und Folterungen durch die Gallier befürchteten, deren Land sie überfallen
hatten, sagten sie, sie wollten lieber bei ihm bleiben. Caesar überließ ihnen die Entscheidung.
16. Nach dem Ende des Krieges mit den Germanen hielt Caesar es aus vielen Gründen für nötig den Rhein zu überschreiten.
Da er sah, wie leicht sich die Germanen verleiten ließen, in Gallien einzufallen, wurde sein Vorhaben am meisten durch die
Absicht gerechtfertigt, ihnen Furcht um ihren eigenen Besitz einzuflößen, wenn sie sähen, daß auch das Heer des römischen Volkes
imstande sei und es wage, den Rhein zu überschreiten. Es kam hinzu, daß der Teil der Reiterei der Usipeter und Tencterer, der
nicht am Krieg teilgenommen hatte, sich nach der Flucht der Stammesgenossen über den Rhein in das Gebiet der Sugambrer
zurückgezogen und sich mit diesen vereinigt hatte. Wie oben erwähnt, war die Reiterei über die Maas gegangen, um Beute zu
machen und Getreide zu beschaffen. Als Caesar Gesandte mit der Forderung zu den Sugambrern schickte, die Leute auszuliefern,
die mit Gallien und mit ihm Krieg angefangen hätten, erwiderten sie, der Rhein sei die Grenze der Herrschaft des römischen
Volkes. Er könne jenseits des Rheins keinen Anspruch auf Herrschaft oder Befehlsgewalt erheben. Die Ubier aber, die als
einzige von den rechtsrheinischen Stämmen Gesandte an Caesar geschickt, einen Freundschaftsvertrag mit ihm geschlossen und
Geiseln gestellt hatten, baten jetzt dringend um Unterstützung, weil sie von den Sueben schwer bedrängt wurden. Wenn ihn
andere politische Aufgaben verhindern sollten, möge er wenigstens ein Heer über den Rhein schicken. Das gebe ihnen zunächst
genügend Unterstützung und Hoffnung für die Zukunft. Nach der Niederlage Ariovists und nach dem Ende des letzten Krieges
genieße das römische Heer bei ihnen einen derartigen Ruhm und eine derartige Hochschätzung bis zu den fernsten germanischen
Völkern hin, daß ihnen schon das Ansehen und die Freundschaft des römischen Volkes Sicherheit geben könne. Sie sagten zu,
eine große Zahl von Schiffen für den Transport des Heeres zur Verfügung zu stellen.
17. Ich habe oben erwähnt, daß diese Gründe Caesar veranlaßt hatten, den Rhein zu überqueren. Er glaubte jedoch, es sei
nicht sicher genug, dies mit Schiffen durchzuführen, auch meinte er, es entspreche nicht dem Ansehen, das er und das
römische Volk genossen. Obwohl sich zeigte, daß der Bau einer Brücke auf Grund der Breite, Tiefe und reißenden Strömung
des Flusses mit größten Schwierigkeiten verbunden war, glaubte er dennoch, er müsse den Versuch dazu unternehmen oder
andernfalls darauf verzichten, das Heer hinüberzuführen. Er entwickelte folgendes Verfahren für den Bau der Brücke. Je zwei
eineinhalb Fuß starke Balken wurden unten etwas angespitzt und ihr Maß der Tiefe des Flusses angepaßt. Diese Paare wurden in
einem Abstand von zwei Fuß miteinander verbunden. Dann wurden sie mit Kräften in den Fluß versenkt, fest in Stellung gebracht
und in den Grund gerammt. Sie standen nicht senkrecht wie gewöhnliche Brückenpfähle, sondern waren schräg nach vorn geneigt
wie Dachsparren, so daß sie der Strömung des Flusses keinen Widerstand boten. Ihnen gegenüber brachte Caesar in einer
Entfernung von 40 Fuß jeweils zwei auf dieselbe Weise verbundene Pfähle an, die von unten her gegen die Gewalt und den Druck
der Strömung geneigt waren. Quer auf die Pfahlpaare wurden zwei Fuß dicke Balken gelegt. Dabei wurde der Abstand, den das
Verbindungsgerüst zwischen den Pfählen eines Paares herstellte, auf beiden Seiten durch je zwei Bolzen am oberen Ende der
Pfähle gesichert. Da damit die Balken eines Pfahlpaares auseinandergehalten wurden und jeweils in entgegengesetzter
Richtung sicher befestigt waren, stand der Bau so unerschütterlich und erhielt eine solche Beschaffenheit, daß die Verbindung
zwischen den Pfahlpaaren um so stärker wurde, je kräftiger die Strömung dagegen andrang. Hierauf wurden die Pfahlpaare in
Querrichtung mit horizontalen Balken belegt und miteinander verbunden. Das Brückengerüst deckte man mit Stangen und Flechtwerk.
Damit nicht genug wurden flußabwärts weitere Pfähle in schräger Richtung eingerammt, die man als Wellenbrecher anbrachte und
mit dem ganzen Bau verband, so daß sie die Gewalt der Strömung brachen. Oberhalb der Brücke wurden in einigem Abstand weitere
Pfähle eingerammt, die zum Schutz dienen sollten gegen Baumstämme oder Schiffe, welche die Barbaren vielleicht flußabwärts
schickten, um die Brücke zum Einsturz zu bringen. Sie sollten deren Stoßkraft abschwächen, damit sie die Brücke nicht
beschädigten.
18. Zehn Tage, nachdem man begonnen hatte, das Holz heranzuschaffen, war das ganze Werk vollendet, und das Heer zog
hinüber. Caesar ließ auf beiden Seiten der Brücke eine starke Wachabteilung zurück und zog rasch in das Gebiet der Sugambrer.
Während dieser Zeit erschienen Gesandte von verschiedenen Stämmen bei ihm. Er kam ihrer Bitte nach Frieden großzügig, entgegen
und forderte sie auf, ihm Geiseln zu stellen. Von dem Zeitpunkt an, als mit dem Brückenbau begonnen wurde, hatten die Sugambrer
auf Anraten einiger Usipeter und Tencterer, die sich bei ihnen befanden, Vorbereitungen für die Flucht getroffen und waren aus
ihrem Gebiet abgezogen. Sie nahmen ihren gesamten Besitz mit und verbargen sich in der Einsamkeit der Wälder.
19. Caesar hielt sich nur wenige Tage in ihrem Gebiet auf, um alle Dörfer und Gehöfte in Brand zu stecken und das
Getreide auf den Feldern zu schneiden, ehe er sich in das Land der Ubier zurückzog. Diesen sagte er Hilfe zu, falls sie von
den Sueben bedrängt würden, und erfuhr dabei folgendes von ihnen: Nachdem die Sueben durch Späher vom Bau der Brücke erfahren
hatten, beriefen sie, ihren Bräuchen folgend, einen Landtag ein. Durch Boten ließen sie die Bevölkerung aller Teile ihres Landes
auffordern, die Städte zu verlassen und Frauen, Kinder und allen Besitz in die Wälder zu schaffen. Die Wehrfähigen sollten sich
alle an einem Ort versammeln. Dazu hatten sie einen Platz gewählt, der etwa in der Mitte des gesamten Gebiets lag, das sie in
ihrem Besitz hatten. Sie waren entschlossen, an dieser Stelle die Ankunft der Römer abzuwarten und es hier zur entscheidenden
Schlacht kommen zu lassen. Als Caesar dies erfuhr, stellte er fest, daß er alles erreicht hatte, was Anlaß zu seinem Entschluß
gewesen war, das Heer über den Rhein zu führen: Er hatte den Germanen Angst eingejagt, die Sugambrer bestraft und die Ubier von
dem Druck durch die Sueben befreit. Daher glaubte er, nach einem Aufenthalt von insgesamt 18 Tagen auf dem jenseitigen Rheinufer
sei genug für das Ansehen und die politischen Interessen des römischen Volkes geschehen. Er zog sich wieder nach Gallien zurück
und ließ die Brücke abreißen.